Entspannter Führen durch Zuhören

In meinem letzten Beitrag „Aktives Zuhören – Hören mit Mehrwert“ habe ich beschrieben, welche Vorteile Sie durch aktives Zuhören in Verhandlungen erreichen können. Zu Beginn und auch in komplizieren Situationen ist es gut, die Regeln für aktives Zuhören zu kennen, damit man die Technik konsequent anwenden kann. Die wichtigste Grundlage aber ist Ihre Haltung. Nur wenn Sie ernsthaft daran interessiert sind, Ihrem Gegenüber wertungsfrei zuzuhören, würde ich Ihnen die Umsetzung des aktiven Zuhörens empfehlen. Andernfalls handeln Sie manipulativ. Sie können davon ausgehen, dass Ihr Verhandlungspartner das sehr schnell durchschauen wird. Genau wie Sie das im umgekehrten Fall auch spüren würden.

Die Grundelemente einer solchen Haltung sind: aktives Zuhören

  • eine offene, empathische Grundhaltung
  • kongruentes Verhalten
  • Akzeptanz und bedingungslose positive Beachtung der anderen Person

Ein ganz schön anspruchsvolles Vorhaben, wie ich finde. Ich möchte es an dieser Stelle nochmal wiederholen, weil ich es so wichtig und auch hilfreich finde:

Geben Sie Ihrem Gegenüber das, was Sie sich selbst auch wünschen:
ohne Vorurteile
wahrgenommen und gehört zu werden.
Ihre Haltung wird Signalwirkung haben.

Wenn Sie interessiert sind, aber sich Ihrer Haltung noch unsicher, dann lassen Sie sich versichern: eine Haltung kann man üben. Ein wunderbar einfacher Trick, ist die „Als-Ob-Methode“: Sie tun dann einfach so, als ob Sie schon der Mensch wären, der die angestrebte Einstellung hat. Es funktioniert wirklich. Wie immer empfehle ich: Einfach mal ausprobieren. aktives Zuhören

Regeln für aktives Zuhören

Für den Anfang ist es wichtig, sich mit ein paar Regeln vertraut zu machen. Aber auch, wenn Sie sich schon sicher fühlen, sollten Sie sich diese Regeln immer mal wieder vor Augen führen. Denn Sie werden sich auch als alter Hase ab und an in Situationen wiederfinden, wo Sie  dem Gegenüber am liebsten mal so richtig die Meinung geigen würden.

Machen Sie sich auch klar, dass Sie eventuell die einzige Person am Tisch sind, die nach diesen Regeln spielt.aktives Zuhören

Das kleine Einmaleins

Die folgenden Regeln gehören zum guten Ton einer jeden Unterhaltung und sollten eigentlich selbstverständlich sein:

  • Nicht unterbrechen
  • Blickkontakt halten
  • konzentriert bleiben
  • angemessene Sprache (keine Beschimpfungen oder abwertenden Bemerkungen)

Das große Einmaleins

Jetzt wird es schon fordernder:

  • positive Körpersprache: Augenkontakt; zugewandte Körperhaltung; Kopfnicken; Körperhaltung des anderen spiegeln; mimisch das Gehörte spiegeln.
    Machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie sich am Anfang unwohl und gekünstelt fühlen. Überprüfen Sie dann Ihre Haltung: ist die immer noch positiv und wertfrei, dann ist alles ok. Mit etwas Übung, werden Sie die Körpersprache bald genau richtig dosieren.
  • Nachfragen bei Unklarheiten: das bedeutet einerseits, dass Sie wirklich konzentriert zuhören sollten und andererseits, eingestehen können, etwas nicht vollständig verstanden zu haben. Dennoch: das ist eine sehr gute Möglichkeit Ihr Interesse zu zeigen, vom Mehrwert an Infomation ganz zu schweigen. Aber bitte vorher ausreden lassen. Unverständnis können Sie zunächst mimisch ausdrücken. Vielleicht haben Sie Glück und Ihre Gegenüber versteht das Signal und gibt Ihnen gleich die Gelegenheit nachzufragen. Dann haben Sie vermutlich einen aktiven Zuhörer oder eine aktive Zuhörerin vor sich sitzen.
  • auf die eigenen Gefühle achten: dieser Punkt ist nicht nur für eine gelingende Kommunikation wichtig, sondern auch eine gute Übung, um die Gefühle des anderen besser wahrnehmen zu können (s. „Höhere Mathematik“). Worum es geht, ist die Gefühle wahrzunehmen, die beim Zuhören aufsteigen. Und das bitte wertungsfrei. Mehr ist nicht notwendig. Am Anfang kann es hilfreich sein, wenn Sie kurz für sich selbst artikulieren, was Sie bemerken „Aha, ich merke ich werde ärgerlich.“ „Ich beginne unsicher zu werden“ „Ich kann mich nicht mehr konzentrieren“. Ihre Gefühle sind gute Hinweise – also bitte nicht verdrängen. Worum es allerdings ganz und gar nicht geht, ist Ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen.
  • paraphrasieren/zusammenfassen: Zum besseren Verständnis können unklare Passagen in Ihren eigenen Worten zusammengefasst werden. Auch wenn Ihre Gedanken mal abschweifen (bei Vielrednern kann das leicht passieren), hilft eine kurze Zusammenfassung, Lücken zu schließen. Fragen Sie abschließend, ob Sie alles alles richtig verstanden haben.
  • Zum Weiterreden einladen: manchmal hat man es ja auch mit Menschen zu tun, die einen eher kargen Kommunikationsstil pflegen. Sei es, weil sie unsicher und schüchtern sind; sei es, weil Sie nicht gerne mit Informationen rausrücken; sei es, weil Sie auf der Lauer liegen. Mit freundlichen Nachfragen, können Sie diesen Menschen signalisieren, dass Sie echtes Interesse haben.
    „Wie ging es dann weiter?“
    „Das war sicher schwierig?“
    „Wie haben Sie das erfahren?“ aktives Zuhören

Höhere Mathematik

Jetzt wird es wirklich schwierig. Die meisten der folgenden Regeln sind vor allem deshalb eine Herausforderung, weil sie unser Ego in Schach halten zu halten versuchen.

  • die eigene Meinung zurückhalten: natürlich ist Ihre Meinung von Belang. Wenn Sie zu einem späteren Zeitpunkt vom Empfänger zum Sender wechseln, werden Sie Raum haben. Aber in der Rolle des Empfängers gilt es zunächst nur, der Meinung des anderen Raum zu geben.
  • Gefühle des anderen wahrnehmen und ansprechen: Durch Mimik, Körperhaltung und Wortwahl können Sie erkennen, ob Ihr Gegenüber sich wohlfühlt, unsicher ist, zornig wird, müde wirkt oder verschlossen. Scheuen Sie sich nicht, das anzusprechen. Sie zeigen dadurch nicht nur, dass Sie den anderen wirklich wahrnehmen, Sie dürften auch einen Überraschungseffekt erzielen. Unter Umständen helfen Sie dem anderen auch dabei, seine eigenen Gefühle überhaupt erst selbst zu erkennen.
    „Ich habe das Gefühl, dass Sie das wütend macht. Stimmt das?“
    „Ich höre Unsicherheit aus Ihrer Stimme. Könnte das stimmen?“
    „Sie wirken müde. Ich könnte auch eine Pause vertragen.“
    Sprechen Sie ruhig auch positive Gefühle an. Wenn Sie feststellen, jemand ist ausgezeichneter Laune, sehr motiviert und aufgeschlossen, wirkt Ihre Rückmeldung verstärkend.
  • Kritik nicht abwehren: Kritik auszuhalten ist für niemanden leicht. Wenn sie dann auch noch abwertend vorgetragen wird, bedarf es großer Zurückhaltung. Denken Sie daran, dass Sie durch die Kritik etwas Wichtiges herausfinden können und versuchen Sie zum Kern vorzudringen.
    Um es ganz plakativ auszudrücken: Beleidigtsein ist was für Anfänger.
  • keine ungefragten Ratschläge: gehen Sie davon aus, dass Ihr Gesprächspartner Ihre Lösungsvorschläge schon selbst durchdacht hat. Durch ungefragte Ratschläge fühlen sich die meisten Menschen – zu Recht – bevormundet.
  • Pausen aushalten: die unangenehme Stille aushalten kostet wirklich Überwindung. Im Grund aber sind Pausen auch Teil der Kommunikation. Wenn wir nicht krampfhaft darum bemüht sind, sie zu füllen, sind wir in der Lage ihren Inhalt zu erkennen: Unsicherheit; mangelnde Konzentration z.B. durch Müdigkeit; Ratlosigkeit. Sprechen Sie an, was Sie wahrnehmen. Aber nehmen Sie sich zuerst auch die Zeit, um wahrzunehmen.

Und zum Schluss: Wenn Ihnen aufmerksam zugehört wurde – bedanken Sie sich. Es ist ein Geschenk, für das sich jemand angestrengt hat.aktives Zuhören

 

 

Prof. (op) Göran Askeljung, BcEE – ist Geschäftsführer und Senior Trainer bei Askeljung Associates und immediate effects Ltd., Certified Facilitator und Partner von Consensus in NY, und Leitet Consensus Österreich und Deutschland. Er ist Vorstandsmitglied in der Schwedischen Handelskammer in Österreich und Mitglied des Beirats von WdF. Er war früher u.a. als Managing Director von Microsoft MSN in Österreich und Geschäftsbereichsleiter von Ericsson Data CEE in Wien tätig.

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